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Von Kriegen und Großreichen

Unter den vielen Büchern, die ich in den letzten Monaten bei der Bundeszentrale für politische Bildung bestellt habe, sind auch zwei Werke des Berliner Politologen Herfried Münkler: "Die neuen Kriege" (2002) und "Imperien" (2005). Münkler ist einer der wenigen deutschen Sozialwissenschaftler, die spannend und fast jargonfrei über ihre Forschungsbereiche schreiben können und damit auch ein breiteres Publikum erreichen.

"Die neuen Kriege" ist eine ziemlich gruselige Lektüre. Es geht vor allem um die Dekompensation bewaffneter Auseinandersetzungen, um die zunehmende Verselbständigung technologisch niederschwelliger, ethisch völlig entgrenzter Kriegshandlungen, wie wir sie vor allem aus Afrika, aber zum Beispiel auch aus Kolumbien oder vom Balkan kennen. Wo der Staat schwach ist, rotten sich zunehmend männliche Jugendliche zusammen und führen ein weitgehend unangefochtenes Leben des Mordens und Plünderns und der sexuellen Gewalt, das sich laut Münkler weit weniger aus ethnischen oder religiösen Spannungen erklären lässt als aus dem wirtschaftlichen Nutzen, den die Akteure aus dieser Lebensweise ziehen, nicht selten indirekt befördert durch humanitäre Hilfeleistungen für die Opfer ihrer Taten. Und Münkler argumentiert, dass diese Phänomene zunehmend auch in bestimmten Revieren sogenannt "entwickelter" Länder auftreten werden. (Ein Vorläufer dieser Argumentation findet sich übrigens in H.M. Enzensberger Miniatur "Aussichten auf den Bürgerkrieg" von 1993.)

Insgesamt weniger erschreckend als die "Neuen Kriege" ist Münklers neues Buch über "Imperien", das historische Vergleiche mit den großen Reichen der Vergangenheit heranzieht, um die gegenwärtige Entwicklung der USA und ihrer Einflusssphäre zu beleuchten. Da ist von der Sogwirkung die Rede, die Imperien auf ihre Peripherie ausüben, vom "Barbarendiskurs", mit dem das Imperium sich gegenüber denen abgrenzt, die seinen Segnungen zu widerstehen versuchen, von der allgemeinen Asymmetrie zwischen Imperium und dem Rest der Welt, und es werden die traditionellen Widerstandsinstrumente analysiert, die in einer solchen asymmetrischen Situation zur Verfügung stehen. Ob auch das US-amerikanische Imperium seinen Zenit erreicht oder vielleicht schon überschritten hat, ob es überhaupt wie die Imperien der Vergangenheit seinen Niedergang zu erwarten hat, das vermag Münkler natürlich nicht vorherzusagen.

Warum ich die Bücher empfehle? Nicht nur, weil sie gut geschrieben sind. Münklers Themen sind relevant, man hat nach der Lektüre den Eindruck, dass man diese Dinge wissen sollte, so, wie man über ökonomische Globalisierung oder europäische Einigung Bescheid wissen sollte, oder über die Grundlagen von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.

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Kritische Rezensionen von Münklers "Imperien":

* Ismail Küpeli:
"Imperium als Mission. Herfried Münklers Kriegslegitimationen für das 21. Jahrhundert". aus: analyse und kritik (Nr. 503 vom 17. Februar 2006)

* Thomas Wagner: Kopflanger der Herrschaft". Aus: junge welt vom 3. Februar 2006.

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